Artikel
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(1) Die Würde der
Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und
unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Weil Sprache das native
Abbildungssystem unseres Bewusstseins ist, wurde eine kleine, dem Sinn
des Artikels entgegenkommende Änderung in Absatz 1
durchgeführt.
Grund:
Sprachfähigkeit ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft, die
unabhängig von den jeweiligen Sprachvariationen als "Instinkt,
Sprache zu lernen" (Wikipedia) bezeichnet werden kann. Das
hat zur
Konsequenz, dass dieser "Instinkt" nicht kulturgebunden sein kann, sich
also nach physikalischen Regeln richten muss - wie alles in unserem
Universum.
Diese Sprachfähigkeit ist das Band zwischen
einerseits dem Wissen in unserem Kopf, das
von der passiven Informationsverarbeitung unserer Biochemie bis hin zur
(fast reinen) aktiven Informationsverarbeitung unseres Bewusstseins
reicht und andererseits dem gesprochenen oder geschriebenen Wort, das
unsere sozialen Bindungen in ihrer differenzierten Komplexität
überhaupt erst ermöglicht. Denn die aktive Informationsverarbeitung
unseres Bewusstseins basiert auf persönlicher Erfahrung und
ist
damit grundsätzlich individuell. Damit wird jedoch jede Entscheidung,
die wir mehr oder minder bewusst treffen, genauso grundsätzlich für
unsere Umgebung nicht nachvollziehbar - außer wenn unsere
Erfahrungen ähnlich sind oder eben sprachlich übertragen
werden
können.
Das war der Grund, warum die Evolution erst Sprache einführen musste,
um die indviduell-bewusste Intelligenz unseres Großhirns über die
der Menschenaffen hinaus steigern zu können.
Das ist der
Grund, warum wir das, was
wir wissen, auch aussprechen können und das, was wir nicht sprechen
können, auch nicht wissen.
Wie
die Menschen, die keine Worte für
Zahlen haben, nicht unterscheiden zwischen 8 Äpfeln oder 9
Äpfeln ("viele" Äpfel) oder die, die kein Wort für links-rechts haben,
ein Foto nicht von seinem Spiegelbild auseinanderhalten oder die
Menschen, die die Farbe "Grün" mit vielen Worten für die
diverse
Grüns beschreiben, diese diversen Grüns auch problemlos
erkennen,
aber kein Wort für "Blau" haben und die Farbe "blau" im
Farbspektrum dann auch nicht identifizieren können:
Unterscheiden heißt benennen können und benennen können heißt,
unterscheiden können.
Das ist der
Grund, warum Sprache in weiten Teilen vorbewusst abläuft -
schnell, präzise, nach logisch-naturwissenschaftlichen Regeln. Auch
wenn die Sprachen selbst kulturell so unterschiedlich sind wie das
Wissen der jeweiligen Menschengruppe, so sind die Regeln, nach denen
das Gehirn die Informationen verarbeitet, naturwissenschaftlich
begründet, sonst könnten sie kaum angeboren sein.
Eine dieser Regeln ist die Verwendung von Symbolen als Platzhalter:
Anstatt jeden Einzelfall bei jedem Berechnungsschritt mit allen
vorhandenen Details zu berücksichtigen, wird die Berechnung dadurch beschleunigt, dass dieser
Einzelfall einem Typus zugeordnet wird, der dann die
Eigenschaften einer ganzen Gruppe zusammenfasst und somit alle
vergleichbaren Einzelfälle mit einem Schlag bearbeiten lässt. Diese
Gruppierung richtet sich nicht nur nach der Art der
Berechnung,
sondern auch nach den verfügbaren Ressourcen - je weniger Zeit
oder Rechenkapazität zur
Verfügung steht, umso weniger Gruppeneigenschaften können
berücksichtigt werden.
Da sich die Menschengruppen seit der Erfindung der Landwirtschaft
explosionsartig vergrößert haben, bedeutet dies zwangsläufig, dass die
Kategorisierungen immer stärker Einzug gehalten haben im menschlichen
Leben.
Denn der Vormarsch der Kategorisierung hat den Vorteil, dass bei
gleichbleibenden Umwelten trotzdem komplexe
Kulturen mit großen Bevölkerungen erbaut werden können, solange sie
sich an strenge Regelwerke und Gesetze halten -
und
den Nachteil, dass in veränderlichen Umgebungen diese Kulturen kaum
mehr Anpassbarkeit besitzen, weil Kategorisierungen
zwangsweise
individuelle Gegebenheiten ignorieren.
Eine solche Kategorisierung verwendet auch das Grundgesetz:
Artikel 1 benutzt sprachüblich das generische Maskulinum.
Das hat 2 Nachteile:
1) Die meisten Sprachen trennen die Menge der Menschen in
zwei disjunkte Teilmengen - die Geschlechter. Diese Teilmengen sind
logisch streng getrennt, es gibt keine Überschneidungen, keine
Schnittmenge. Da wir nur unterscheiden können, was wir benennen können,
macht uns die
sprachliche Separation recht blind gegenüber Abweichungen. Damit haben
nicht nur Transgender-Menschen ein Riesenproblem,
ganz generell rechnet unser Gehirn bei Nutzung
dieses sprachlichen Tricks auch nur mit der angesprochenen Teilmenge
weiter und ignoriert das Unpassende.
Bei der Duldsamkeit der deutschsprachigen Frauen gegenüber dieser
verbalen Burka ist das aber nicht der wesentliche Nachteil.
Der wesentliche Nachteil ist:
2) Das generische Maskulinum ist ein Singular.
Die Nutzung des generischen Maskulinum für die gesamte Spezies ist so
weitverbreitet, dass es kulturell völlig akzeptiert wird, dass die
gesamte Menschheit in ihrer Vielfalt und Individualität über einen
einzigen Repräsentanten symbolisierbar sein soll.
Ein "Einziger"
kann aber keine Menge sein außer mit sich selbst.
Natürlich gibt es in der Mathematik die Nullmenge und auch
die Menge, die nur aus einem einzigen Element besteht, doch da
jede mathematische Menge definiert ist als
Sammlung beliebiger Dinge, die nur zwei Bedingungen ganz
sicher erfüllen müssen (Mengenzugehörigkeit und Eindeutigkeit), kann
von den automatischen Regeln der
Sprachbearbeitung her ein individueller Einziger nicht Symbol für
mehrere und schon gar
nicht für viele sein.
Wird der Singular für eine Gruppe verwendet, wird als Symbol demnach
eine Art
von "Standardtypus" unterstellt, dem die Gruppeneigenschaften
exemplarisch für alle Gruppenmitglieder zugesprochen werden.
Welche standardtypischen Gruppeneigenschaften werden jedoch "dem
Menschen" zugesprochen?
Da
jede Informationsverarbeitung endlich ist und damit einer praktisch
unendlichen Realität gegenübersteht, ist sie notwendig perspektivisch.
Zusammen mit dem generischen Maskulinum und seiner scheinbaren
Allgemeingültigkeit kann sich also jeder Leser angesprochen fühlen
trotz seiner ganzen Einzigartigkeit. Und da er weiß, dass er
ein
Mensch ist, weiß er auch, dass er selbst eine
Inkarnation dieses
"Standardtypus' Mensch" ist. Für ihn ändert sich diese Frage
nach
den standardtypischen Gruppeneigenschaften '"des Menschen" damit zur
Frage:
Wie ähnlich ist mir selbst dieser Standardtypus?
Hier
kommt dann erneut die Perspektivität jeder Informationsverarbeitung ins
Spiel, die notwendig das Eigene in den Mittelpunkt stellt und stellen
muss. Deshalb ist es für Jedermann naheliegend, dass die
Übereinstimmung des Standardtyps "der Mensch" mit dem eigenen Profil
sehr hoch ist: Man selbst ist sozusagen ein typischer Vertreter "des
Menschen".
Dass solch
ein generischer Singular für viele, ebenfalls einzigartige Andere
genauso zutrifft, ist in diesem Sprachgebrauch nur
als
kulturelle Zusatzbedingung enthalten, nicht in dem Regelwerk der
zugrundeliegenden Sprachverarbeitung.
Jede Spracherkennung, künstlich oder natürlich, wird das zwar
berücksichtigen, aber sie wird es nur durch eine aufgepfropfte
Kontextbetrachtung
lösen können: Denn der Singular wird sowohl in Fällen verwendet, in
denen tatsächlich nur der beschriebene Einzelfall in der
Informationsübertragung übermittelt werden soll, sodass in diesen
Fällen eine Individualisierung erfolgen muss, als auch im generischen
Fall, der das
Gegenteil, eine Art von "De-Individualisierung", verlangt.
"Der Mensch
erfand die Sprache oder
das Rad": Das führt deshalb fast automatisch zu dem Bild des genialen
Tüftlers in seinem Labor,
Daniel Düsentrieb, der alleine vor sich hingrübelnd die tollsten
Erfindungen macht - aber niemand hat jemals irgendetwas alleine
erfunden.
Ohne das Wissen der jeweiligen Zeit wäre keine Erfindung Erwachsener
denkbar
gewesen, oder mit anderen Worten: Wäre Einstein in Kenia geboren
worden, wäre die Relativitätstheorie von einem anderen beschrieben worden.
Sowieso: Gerade Sprache und Rad wurden vermutlich von Kindern entdeckt,
brabbelnden Säuglingen oder im Spiel mit Dingen, die Erwachsene als
unnütz abgelehnt hätten.
So kann die Formulierung "Die
Würde des Menschen ist unantastbar"
dazu führen, dass der
Leser sich selbst zwar als "typischen Menschen"
wahrnimmt und
damit berechtigterweise diese Würde für sich in Anspruch nimmt,
dass er aber nicht
automatisch von der Sprache dahin geführt wird,
dass
diese Würde Anderen genauso zusteht.
Dass das Grundgesetz diese Würde jedoch allen Menschen zuspricht, nicht
nur einzelnen oder einer bestimmten Gruppe, beweist Absatz 2):
Menschenrechte stehen nicht nur jeder menschlichen Gemeinschaft überall
auf der Welt zu, sie werden auch glasklar und überaus richtig als
Grundlage von Frieden und Gerechtigkeit erkannt.
Und "jeder Deutsche" bekennt sich dazu, besser formuliert als:
Das Deutsche Volk - das ist tatsächlich sogar ein Singular, der sehr
wohl viele
Menschen betreffen kann. Das aber liegt in de Definition des Wortes,
nicht in der Konstruktion der Syntax. Die Individualität des Singular
betrifft in diesem Fall nicht die einzelne deutsche Person, sondern
"das Deutschsein" als solches: Deutschsein heißt nach dem
Grundgesetz, menschlich im besten Sinn des Wortes zu sein.
2)
Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und
unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Oder klar ausgedrückt: Deutsche
respektieren die Würde Anderer - nicht nur die eigene.
Dass
das Deutsche Volk selbst nach Frieden und Gerechtigkeit strebt, ist
nicht ganz so klar sprachlich erkennbar - aber sicher eine
gültige Interpretation der Formulierung, genauso wie die Erkenntnis
herausgelesen werden kann, dass Frieden und Gerechtigkeit nicht für
Einzelne möglich sind. Nur wenn überall Friede herrscht, kann Friede
auch im Regionalen überdauern und nur wenn überall Gerechtigkeit
herrscht, kann Gerechtigkeit überhaupt existieren.